Thesen für eine offene, digitale Gesellschaft in Deutschland

Die Thesen für eine „offene digitale Gesellschaft“ sind eine Auflistung von konkreten Visionen und Argumenten der Open Knowledge Foundation Deutschland für eine offene digitale Gesellschaft in Deutschland.

Konkrete Handlungsempfehlungen für alle demokratischen Parteien und insbesondere für die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl 2013 finden Sie in unseren Empfehlungen zum Deutschen Aktionsplan zur G8 Open Data Charter.

## Die Offenheit in der (digitalen) Gesellschaft

Ein Schlüssel zum Erfolg moderner Wissensgesellschaften liegt in der Produktion und Verteilung der Ressource Wissen. In einer nachhaltigen Wissensökonomie ist der Zugang zu offenem Wissen die Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe, für Innovationen und Wertschöpfung. Gesellschaftliche Teilhabe basiert in einer offenen, digitalen Gesellschaft auf dem freiem Zugang der Allgemeinheit zu Internet, Bildung, Wissen, Medien und Kultur. Ein wesentliches Element einer Politik der Offenheit ist ein Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger auf ein flächendeckend schnelles Internet, in dem Meinungsfreiheit garantiert, Anonymität möglich und die Privatsphäre der Individuen geschützt ist. Dieses Internet muss neutral und frei von Überwachung und Zensur sein. Nur der gut informierte, mündige Bürger kann qualifizierte Entscheidungen treffen und sich in die Gesellschaft einbringen. Der freie Zugang der Allgemeinheit zu Daten, Informationen, Wissen ist notwendige Bedingung um bessere faktenbasierte Entscheidungen treffen zu können, und zwar auf jeder Ebene: als Bürger, als Verbraucher, als Entscheidungsträger in der Wirtschaft und der Politik. Offenes Wissen schafft Transparenz, stärkt die Rechenschaftspflicht und führt über effiziente Verwaltung zu guter Regierungsführung.

####1. Die Wirtschaft in einer offenen, digitalen Gesellschaft…

... nutzt die Vorteile von Transparenz und Rechenschaftspflicht!

Warum: Transparenz schafft Nachvollziebarkeit und stärkt Vertrauen der Verbraucher in die Unternehmen ihrer Wahl und wird somit zum Wettbewerbsvorteil für die Wirtschaft.

Wie: Durch Verpflichtung zur Veröffentlicht von umfassenden Informationen zu Produktionsketten und Produktionsweisen sowie zum Verbraucherschutz.

Unternehmen, Verbände und anderen Organisationen müssen umfassend über ihre organisationellen und finanziellen Strukturen informieren. Öffentliche Ausschreibungen und Informationen zur Wirtschaftsförderung werden transparent in öffentlichen Informationsregistern veröffentlicht.

Leitende Mitarbeitern werden verpflichtet ihre Einkünfte, Nebentätigkeiten sowie Mitgliedschaften und Positionen in anderen Organisationen und Gremien offenzulegen. Transparenz erhöht die Integrität und Rechenschaftspflicht und ist wichtiger Teil der Korruptionsbekämpfung.

Wer: Fragen Sie die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..


... nutzt die Chancen von Kooperation und Innovation!

Warum: Die Herausforderungen der Zukunft können nur durch innovative Lösungen und den effizienten Umgang mit Ressourcen gemeistert werden.

Wie: Die Möglichkeit offene Daten miteinander zu kombinieren bietet die Chance für Wissensgewinn und neue Lösungsansätze. Zusammenarbeit und die Einbindung von externem Wissen fördert Innovationen und Wertschöpfung.

Wer: Fragen Sie die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..

####2. Die Wissenschaft in einer offenen, digitalen Gesellschaft…

... basiert auf freiem und offenem Zugang zu den Forschungsergebnissen und -daten staatlich finanzierter Forschung!

Warum: In Deutschland wird ein Großteil der Wissenschaft und Wissensproduktion durch die öffentliche Hand finanziert. Während die privatwirtschaftliche Aneignung und Nutzung des produzierten Wissens erwartet wird, sind die wissenschaftlichen Publikationen aber nur selten für den Steuerzahler frei verfügbar. Die Forschungsdaten erleichtern Folgeforschung und erlauben mehr Innovationen in der Forschung und Gesellschaft. Offenheit in der Wissenschaft ist ebenfalls eine Chance für das wissenschaftliche Qualitäts- und Reputationssystem.

Wie: Die Rahmen- und Förderbedingungen für die Öffnung von wissenschaftlichen Ergebnissen müssen verbessert werden. Die Öffnung muss bei staatlich-finanzierter Forschungsförderung verpflichtend verankert werden. Es braucht Investitionen in potenzielle Geschäftsmodelle und Konzepte für die Verbreitung und den Vertrieb von offenem Wissen in der Wissenschaft. Darüber hinaus müssen Bund und Länder die Entwicklung von Technologien für die offene Ablage und Archivierung von Forschungsdaten fördern. Es müssen verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Öffnung der staatlich finanzierten Forschungsdaten einfordert und wissenschaftliche Reputationssysteme neu aufstellt.

Wer: Fragen Sie die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..

####3. Die Bildung in einer offenen, digitalen Gesellschaft…

... ist frei und für alle gleichermaßen zugänglich, verfügbar und reproduzierbar!

Warum: Für das nachhaltige Wachstum einer Volkswirtschaft ist der kostenfreie und gleiche Zugang der Allgemeinheit zu qualitativ hochwertiger Bildung unerlässlich. Die unterschiedlichen Bildungsformate und -inhalte müssen allen gleichermaßen frei zur Verfügung stehen.

Wie: Eine wesentlich bessere finanzielle Ausstattung für offene Forschung und Lehre. Mehr Investitionen in Kindergärten, Schulen und Universitäten sowie in die Ausbildung von Pädagogen und Lehrern für ein digitales Zeitalter. Alle staatlich finanzierten Lehrinhalte und Unterrichtsmaterialien stehen der Allgemeinheit als offene Lehr-Lern-Materialien (Open Educational Materials) unter offenen Lizenzen zur Nutzung und Nachnutzung zur Verfügung.

Wer: Fragen Sie die Wikimedia Deutschland e.V. oder die Digitale Gesellschaft e.V..

####4. Das Recht in einer offenen, digitalen Gesellschaft…

... basiert auf transparenter Gesetzgebung und Rechtsprechung!

Warum: Gesetzgebung und Rechtsprechung müssen transparent und nachvollziehbar sein.

Wie: Alle Gesetzestexte, Kommentare und Urteile werden auf allen föderalen Ebenen der Allgemeinheit im vollen Umfang, kostenfrei als offene Daten zur Analyse und Nachnutzung bereitgestellt. Gesetzestexte sind unter Versionskontrollen zu veröffentlichen, um die Entwicklung der Gesetzgebung in der Zeit analysieren zu können. Überkommene Geschäftsmodelle wie die Konstruktion der juris GmbH sind abzuschaffen.

Wer: Fragen Sie die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..

####5. Die Kultur in einer offenen, digitalen Gesellschaft…

... nutzt die Chancen der Digitalisierung!

Warum: Die Digitalisierung bedeutet die große Chance den Zugang der Allgemeinheit zu unseren Kulturgütern zu erweitern und zu verbessern. Digitalisate (also digitale Kopien) von Artefakten sowie dazugehörige Metadaten über Werke und Sammlungen, können über das Internet der Allgemeinheit zeit- und ortsunabhängig zugänglich gemacht werden.

Wie: Staat und Wirtschaft müssen kooperieren, um unser kulturelles Erbe umfassend zu digitalisieren und die Herausforderungen der Langzeitarchivierung zu bewältigen. Die Digitalisate sowie die dazugehörigen Metadaten werden der Allgemeinheit in vollem Umfang online kostenlos für die Nutzung und Nachnutzung zur Verfügung gestellt.

Wer: Fragen Sie die Wikimedia Deutschland e.V. oder die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..


... erweitert und demokratisiert den Zugang zu unserem kulturellen Erbe!

Warum: Gedächtnisinstitutionen haben die Aufgabe die ihnen anvertrauten Sammlungen zu bewahren und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die umfassende Veröffentlichung von digitalen Artefakten und Metadaten stellt eine Erweiterung des Zugang zu unserem kulturellen Erbe dar.

Wie: Gedächtnisinstitutionen machen die ihnen anvertrauten Sammlungen in vollem Umfang digital für die Nachnutzung zugänglich. Dadurch ermöglichen sie neue, kreative Nutzungsformen und -szenarien. Sammlungen können vom Besucher durchsucht, analysiert und neu zusammengesetzt, angereichert und kurratiert werden. So entstehen alternative Zugänge und Sichtweisen auf unser kulturelles Erbe, was zu einer Demokratisierung des Zugangs zu Kultur führt.

Wer: Fragen Sie die Wikimedia Deutschland e.V. oder die iRights Lab Kultur oder die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..


... hat ein Recht auf Remix!

Warum: Kultur basiert auf vorherigen kulturellen Errungenschaften, auf Sprache, Erfahrungen, Werken. Wir stehen auf den Schultern von Giganten: Alles in der Wissensgesellschaft ist ein Remix! Deshalb brauchen wir heute ein Recht auf Remix, ein Recht neue Werke basierend auf anderen Werken zu schaffen, diese weiterzuentwickeln. Das derzeitige Urheberrecht trägt dem keine Rechnung, eine entsprechende Anpassung ist notwendig.

Wie: Die europäische Urheberrechtsrichtlinie sowie das deutsche Urheberrecht müssen angepasst und dahingehend reformiert werden, dass sie die Rechte der Autoren gegenüber den Rechteverwertern stärkt und die Nachnutzung anderer Werke erleichtert. Insbesondere sind die Schutzfristen zu verkürzen und die Einräumung zeitlich und räumlich unbegrenzter Nutzungsrechte an Dritte zu vereinfachen. Siehe unser gemeinsames Positionspapier für ein Urheberrecht für das 21. Jahrhundert.

Wer: Fragen Sie die Initiative Recht auf Remix der Digitale Gesellschaft e.V..

####6. Die Politik in einer offenen, digitalen Gesellschaft…

... lebt von Transparenz und Rechenschaftspflicht!

Warum: Gute Regierungsführung ist notwendig für einen effizienten Umgang mit Ressourcen und basiert auf der Integrität und Rechenschaftspflicht der Parlamentarier.

Wie: Deutsche Parlamente auf Bundes-, Landes- sowie auf kommunaler Ebene bekennen sich zu den Empfehlungen für gute Praxis der Erklärung zur Parlamentarischen Offenheit und setzen diese verpflichtend um. Das erhöht die Transparenz. Nachvollziehbarkeit und Transparenz wiederum stärken die Integrität und Rechenschaftspflicht der Parlamentarier, was wiederum das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik stärkt.

Parlamentarier werden verpflichtet ihre Einkünfte, Nebentätigkeiten sowie Mitgliedschaften und Positionen in anderen Organisationen und Gremien umfassend offenzulegen. Außerdem werden Parlamentarier gesetzlich verpflichtet sich an den Verhaltenskodex der Erklärung zur Parlamentarischen Offenheit zu halten.

Konkret muss Deutschland endlich das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption ratifizieren und die notwendigen Gesetzesänderungen, insbesondere eine Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung (Paragraf 108e StGB), umsetzen.

Wer: Fragen Sie Abgeordnetenwatch.de Transparency International Deutschland e.V. oder die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..


... ist offen und partizipativ gestaltet!

Warum: Gesetzgebungsverfahren und parlamentarische Entscheidungsprozesse sind heute in Deutschland oft für viele nur schwer nachvollziehbar. Mündige Bürger müssen politische Entscheidungsprozesse nachvollziehen und verstehen können, um sich qualifiziert einbringen zu können. Durch Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger kann externes Wissen einbezogen, die Akzeptanz für politische Entscheidungen erhöht werden.

Wie: Informationen und Daten zu Gesetzgebungsverfahren und zu parlamentarischen Entscheidungsprozessen werden der Allgemeinheit auf allen föderalen Ebenen zeitnah und umfassend als offene Daten zur Verfügung gestellt. Zusätzlich werden mehr Instrumente geschaffen und eingesetzt, um die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Prozessen zu erhöhen. Außerdem ermöglicht es bessere und faktenbasierte Entscheidungen unter Einbeziehung von externem Wissen und Kooperationen. Das Gesetzgebungsverfahren wird in allen Revisionen offen und transparent als offene Daten zur Verfügung gestellt.

Wer: Fragen Sie die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. oder Mehr Demokratie e.V..

####7. Die Verwaltung in einer offenen, digitalen Gesellschaft…

... ist durch Offenheit und Transparenz effizient!

Warum: Eine moderne Verwaltung muss offen, transparent und effizient arbeiten. Offene Daten machen Verwaltunghandeln nachvollziehbar, was die Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger stärkt. Gleichzeitig kann der verbesserte Zugriff auf offene Verwaltungsdaten, der Verwaltung selbst dabei helfen, effizienter zu arbeiten, indem Entscheidungsträger bessere, faktenbasierte Entscheidungen treffen können.

Wie: Die Dokumente und Daten der öffentlichen Verwaltung müssen der Allgemeinheit in vollem Umfang, zeitnah und kostenlos als offene Daten zur Nachnutzung zugänglich gemacht werden.

Wer: Fragen Sie die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..


... hat ein starkes Recht auf Informationsfreiheit!

Warum: Zusätzlich zur pro-aktiven Veröffentlichung von offenen Verwaltungsdaten (open by default) muss das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu staatlichen Informationen deutlich gestärkt werden. Die bestehenden Zugangsgesetze (Informationsfreiheitsgesetze in Bund und Ländern, Umweltinformationsgesetz, Verbraucherinformationsgesetz) sind zu fragmentiert und ermöglichen es deutschen Behörden in der Praxis leider viel zu oft von den diversen Ausnahmeregelungen Gebrauch zu machen, um den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu amtlichen Dokumenten zu verwehren. Ohne ein starkes Recht auf Informationsfreiheit bleibt jede Politik für offene Verwaltungsdaten ein zahnloser Tiger.

Wie: Existierende Zugangsgesetze auf allen föderalen Ebenen sind zu reformieren, zu vereinheitlichen oder durch zeitgemäße Transparenzgesetze zu ersetzen. Vor allem müssen die zahlreichen Ausnahmeregelungen, die eine Verweigerung der Akteneinsicht ermöglichen, deutlich eingeschränkt werden (vor allem die derzeitige Praxis, die Einsicht oft wegen vermeintlichen Problemen mit dem Datenschutz, dem Urheber- oder Patentrecht zu begründen, ist nicht akzeptabel). Desweiteren sind die Gebühren, die für die Akteneinsicht erhoben werden können, ganz abzuschaffen oder auf die reinen Grenzkosten zu minimieren.

Wer: Fragen Sie die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V..


... beruft sich auch auf externes Wissen und Zusammenarbeit!

Warum: Das gesellschaftliche Zusammenleben der Wissensgesellschaft ist komplex. Kollaborationen und die Einbindung von externem Wissen helfen der öffentlichen Verwaltung bürgernahe und zeitgemäße, öffentliche Dienstleistungen zu entwickeln, um die Interaktion zwischen Bürger und Verwaltung zu verbessern.

Wie: Die öffentliche Verwaltung folgt dem Konzept von Government as a platform und ist offen für Kollaborationen. Externes Wissen wird auf allen Ebenen einbezogen. Kollaborationen mit Bürgerinnen und Bürgern, aber auch mit Wirtschaft und Wissenschaft, führen zur Entwicklung von neuen, zeitgemäßen öffentlichen Dienstleistungen, welche die Interaktion zwischen Bürger und Verwaltung verbessern.

Wer: Fragen Sie die Wikimedia Deutschland e.V..

 

Disclamer: Die Thesen sind nicht ohne Weiteres gleichzusetzen mit dem Konzept einer „Offenen Gesellschaft“ nach Sir Karl R. Popper. Die Anlehnung der Kategorisierung an die Systemtheorie von Niklas Luhmann soll den möglichst systemweiten Ansatz dieser Auflistung unterstreichen.